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Kolumne von Klaus Hamal

“Wer braucht schon ein gutes Zeugnis?” ist, zugegeben, ein provokanter Titel. Am morgigen Zeugnistag möchte ich eine Lanze für alle mit schlechten Noten im Zeugnis brechen. Liebe Eltern, nein, es ist kein Beinbruch, wenn Euer Kind mit schlechten Noten nach Hause kommt. Auch wenn es den Übertritt in die nächst höhere Schule nicht schafft. Wenn es so ist, nehmt es in den Arm, tröstet es, das Kind ist ja eh schon von sich selbst enttäuscht und muss nicht noch zusätzlich von den wichtigsten Bezugspersonen, Euch Eltern, angepflaumt werden. 

Schulsystem belohnt die Schüler, die am besten auswendig lernen können
Aktuell ist das Schulsystem immer noch so ausgelegt, dass die Schüler, die am besten auswendig lernen können (und danach wieder vergessen), die besten Noten bekommen. Das sagt aber nur, dass der Schüler zur richtigen Zeit etwas auswendig lernen konnte, ins Hirn reingeprügelt und in der Regel nach ein paar Wochen wieder vergessen hat. Aber es sagt überhaupt nichts zum Kind selbst. Ob es gut mit Mitschülern umgehen konnte, Freunde hat, sich für andere einsetzt, musisch oder künstlerisch begabt und ob es einen EQ – also einen emotionalen Quotienten hat. Das ist im Leben viel wichtiger als gute Zeugnisse. 

An drei realen Beispielen möchte ich hier zeigen, dass es außer dem Besuch eines Gymnasiums oder einem Studium auch viele andere Wege gibt. Eine Bekannte von mir hatte die Hauptschule (damals hieß die Mittelschule noch Hauptschule) abgeschlossen und Briefträgerin bei der Post gelernt. In der Schule war sie nicht die Beste, eher im Mittelfeld. Als sie nach der Ausbildung bei der Post mehr verdienen wollte, ging das nur über den mittleren oder gehobenen Dienst, zu dem die Hauptschule nicht gereicht hat. Sie hätte Mittlere Reife oder Abitur dazu benötigt. In der Ausbildung hat ihr das Lernen auf einmal mehr Spaß als in der Schule gemacht und sie beschloss, das Erwachsenen-Abitur auf der Abendschule nachzuholen. Dort war sie eine der Besten und kurz darauf entschloss sie sich, Tiermedizin zu studieren. Sie wurde dann nicht nur Tierärztin, sondern hat noch den Dr.-Titel erfolgreich erworben und ist nun seit vielen Jahren mit der eigenen Tierarzt-Praxis erfolgreich.

Im zweiten Fall geht es um eine Schülerin am M-Zug in Dorfen. Nach der Schule begann sie eine Ausbildung über zwei Jahre zur Verkäuferin bei einem Einzelhandels-Filialisten und legte noch ein Jahr als Einzelhandelskauffrau drauf. Den Abschluss schaffte Sie mit Staatspreis. Der Chef bot ihr nach der Ausbildung gleich eine Filialleiter-Stelle an, den sie annahm. Mit 19 war sie die jüngste Filialleiterin unter 70 Filialen. Da auch Azubis ausgebildet werden sollten, machte sie noch den ADA-Ausbilderschein an der IHK, den sie mit 19 ebenfalls erfolgreich schaffte. Neben dem Beruf beschloss sie einen Bachelor-Fernkurs als Wirtschaftsfachwirtin zu belegen, den sie ebenfalls erfolgreich bestand. Nun hat sie mit 21 Jahren bereits einen erfolgreichen Bachelor-Abschluss und hätte nun die Möglichkeit, den Master zu machen und danach sogar zu promovieren. 

Durchgefallen und trotzdem erfolgreich
Im letzten Fall geht es um mich selbst. In der Realschule schaffte ich es, einen 4er-Schnitt zu haben und kam mit Müh und Not auf die Fachoberschule. Dort fiel ich in der 11. Klasse erstmal durch und brach die FOS ab, um eine Lehre als Büromaschinen-Mechaniker anzufangen. Die machte viel mehr Freude als die Schule. Später absolvierte ich einen Meisterkurs und schloss eine Qualifikation zum Betriebswirt des Handwerks erfolgreich ab. Mit diesem Wissen baute ich eine eigene Firma auf und bilde mittlerweile selbst Fachinformatiker (Systemintegration) aus. Nebenher bin ich ehrenamtlicher Prüfer an der IHK-München/Oberbayern für IT-Berufe. 

Bei allen genannten Beispielen waren die Zeugnisse auch im späteren Berufsleben nicht (so) wichtig, sondern eher der Fachverstand und die Fähigkeit mit Kunden, Kollegen oder Mitarbeitern umzugehen. Also nehmt Eure Kinder in den Arm, freut Euch über alle guten Noten und schaut über die schlechten Noten hinweg. Die Wege der Schüler sind oftmals komplett anders, als die Eltern es gerne haben möchten. Und eine gute Ausbildung in einem Beruf, der einem Spaß macht, ist mehr wert als ein Studium, das man mit Müh und Not gerade schafft. Arbeitslose Akademiker gibt es mittlerweile leider auch viel zu viele. 

Letzter Tipp: Unterstützt Eure Kinder vor einem möglichen Studium dabei, eine Ausbildung vorab zu absolvieren. Erstens haben sie dann schon einen fertigen Beruf und zweitens den Praxisbezug, der in der praktischen Ausbildung während des Studiums auch gebraucht wird. Wenn das Studium nicht klappen sollte, kann Euer Nachwuchs jederzeit wieder im erlernten, eigenen Beruf arbeiten.

Von Hamal

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